Dienstag, 28. Februar 2012

Man spricht Deutsch


Es häufen sich in diesen Tagen die Momente, wo mir die Worte fehlen angesichts des Bedrückenden, was sich vor aller Augen abzeichnet. Zum Beispiel nach der Lektüre dieser Kolumne aus dem Gruselkabinett des deutschen Wir-sind-wieder-wer-aber keiner-dankt-es-uns-Journalismus verschlägt es mir schon wieder die Sprache.

Marc vom Blog Einspruch hat Worte gefunden:
In der Euro-Krise erkennen wir wieder unsere Stärke, ignorieren die Bedürfnisse der anderen, setzen brutal unsere Interessen durch und halten an einem falschen Weg bis zum bitteren Ende fest. ...

Uns fällt wieder die Rolle des europäischen Hegemons in den Schoß. ... Wir sind wieder mitten in einem kulturellen und zivilisatorischen Absturz, den ich so nie für möglich gehalten hätte, vor dem ich mich aber insgeheim immer gefürchtet habe. In uns schlummert dieses unselige Erbe, dessen Bosheit die Welt bereits einmal in die finsterste Dunkelheit stürzte.

Es ist wieder so weit, unser genetischer Schalter wurde aktiviert.

On the Greek Bailout Deal

Samstag, 25. Februar 2012

Kolonialmacht


Die Einschläge werden dichter, die Dinge kommen ins Rollen, und das mit deutscher Gründlichkeit:
- um, wie es heißt, ihren griechischen Kollegen "zu Hilfe" zu eilen. Auf Deutsch: um den griechischen Bürgern jenes Geld abzuzwacken, mit dem deutsche Banken ausbezahlt werden sollen.

Betont wird, dass der 160-Mann-starke deutsche Auslandseinsatz "freiwillig" erfolge, woraus sich unschwer schlussfolgern lässt, dass es sich bei der rekrutierten Steuerschnüffeltruppe um besonders tapfere Exemplare von Finanzbeamten handeln muss, die - bevor sie in Bälde mit irgendeinem Verdienstkreuz ausgezeichnet werden -, jetzt bestimmt erst mal mit schuss-sicheren Westen ausgerüstet werden, damit sie ihren heldenhaften Auftrag im verlotterten Griechenland heil überstehen. Weil ja die Griechen auf alles, was nach deutscher Invasion riecht, verständlicherweise nicht so gut abfahren.

Durchaus sensibel wird dieses Hemmnis gewürdigt von einem der maßgeblichen deutschen Truppenführer:
Many (tax collectors) come from the state of North Rhine-Westphalia, whose finance minister, Norbert Walter-Borjans, compares Greece with 90s East Germany, noting that even the East Germans at the time were suspicious towards the West. "In Greece suspicion will be greater, in part because of the inappropriate language used by some in Germany," he said.
- und sollte sich so ein stramm auftretender deutscher Finanzbeamter da unten in Athen mal im Ton vergreifen, dann hat er bestimmt nichts zu lachen, weil vermutlich die Griechen in der Hinsicht keinen Spass verstehen. Auch verständlich.

Zerohedge kommentiert den Einmarsch deutscher Steuervollstrecker so lakonisch wie treffend mit:
The colonization begins: Germany may send 160 tax collectors to Greece -
- und wer nun fragt: Griechenland? Welches Griechenland?
Jenes ehemalige Griechenland:
...the European colonial state of southern Bavaria Sachs (formerly known as the insolvent Hellenic Republic)
Kolonialisierung, genau. Nach dem Wort habe ich schon die ganze Zeit gesucht.
When the next crisis occurs, there are still a variety of responses. The monied interests will wish to promote another bailout, with harsh terms dictated to the public, rather than to the banks. This is what is happening in Greece. The terms will be so draconian and unsustainable that state fascism is the most likely longer term outcome. Germany is struggling with that decision today, in light of bad results in their last two experiences along those lines.

I am not hopeful that the leaders of the political world will have the resolve to do what it takes to bring the banks back under control, given the power that big money has obtained over our worldly leaders.
Jesse's Café Américain, 25. Februar 2012

Brotzeit



Ask for work.
If they do not give you work, ask for bread.
If they do not give you work or bread, take bread.



Freitag, 24. Februar 2012

Transparenz kommt von Transpirieren


Karneval war ja bekanntlich gestern, und bis zum ersten April ist noch eine ganze Weile hin, also muss wohl was dran sein an dieser Räuberpistole:
- und zwar unter der Führung des schwitzenden finnischen EU-Kommissars Olli Rehn. Der hatte zum politischen Hintergrundgespräch in die Sauna eingeladen. Konspirierendes Transpirieren, sozusagen. Thema? 'Griechenland im Schwitzkasten der Troika', sage ich jetzt mal ungeschützt, weil, ich war ja nicht dabei, wie auch, denn naturgemäß fand das Sauna-diplomatische Treffen unter Männern statt.

Okay, Politkerle unter sich beim brüderlichen Säfte-, ähm, Schweißaustausch ist jetzt noch nicht der ganz große Brüller. Schließlich hatten schon Bundeskanzler Willy Brandt und KPdSU-Generalsekretär Leonid Breschnew in der Sauna Freundschaft geschlossen; auch Helmut Kohl und Boris Jelzin kamen sich beim freundschaftlichen Schwitzen näher.

Trotzdem.
In aller Blöße! - das dürfen wir, die wir draußenbleiben mussten, so interpretieren: in aller Transparenz. Anscheinend muss man sich erst mal eine Blöße geben, um endlich transparent Tacheles zu reden.

Wie umständlich. Hätte man sich da nicht gleich in ganz normaler Kleidung in einem, sagen wir, ganz normalen Konferenzraum der Europäischen Kommission treffen können? Nee nee, dann wäre ja erstens der nackte Kick unter männlichen Politikern und Journalisten weg gewesen, und zweitens gilt besagte Sauna als ganz normaler Konferenzraum der Europäischen Kommission, weil es sich nämlich um die EU-Kommissions-eigene Sauna handelt. Kapiert? Wozu unterhält die Europäische Kommission eine eigene Sauna? "Machen Sie sich doch bitte mal transparent!" Eben. Ist doch das Normalste der Welt.

Also alles kein Aufreger. Pikant wurde es, als Saunapapst Rehn im Nachgang von dem Brüssel-Korrespondenten der italienischen Zeitung Il Corriere della Sera (selbst kein Saunierer) scheinheilig nach dem Dress Code bei derartigen "confidential briefings" (O-Ton Rehn) gefragt wurde. Eine undiplomatische Frage, die den Finnen etwas indigniert zu haben scheint, was aber nicht weiter peinlich wurde, denn ein spanischer Zeitungskollege intervenierte prompt und betonte, er wünsche mit keinerlei weiteren Details bezüglich des Outfits der schwitzenden Transparenzliebhaber behelligt zu werden. Ihm reiche es auch so schon.

Bei sich zuhause hat der Schwitz-Olli natürlich ebenfalls eine Sauna, bitte, für einen Finnen eine Selbstverständlichkeit. Laut finnischen Presseberichten hängt an der Tür zur Sauna seines Sommerhauses seit Jahrzehnten folgender Spruch:
Der Sauna-Friede ist kostbarer als die Unverletzlichkeit des häuslichen Herdes und die Waffenruhe zu Weihnachten -
- yo my, wer wollte da den schweißnassen Sieben in der Europäischen Kommissions-Sauna ihr selbstentblößendes Treiben verübeln? Bestimmt war unter ihnen kein 'befangener' Berichterstatter aus Griechenland, so dass die Unverletzlichkeit der griechischen Demokratie samt ihrer Verfassung niemandem Anlass für metaphorische Doppeldeutigkeiten geboten hätte; und dass die Waffen der Finanzmafia in Griechenland selbst über Weihnachten keine Ruhe gegeben haben, muss einen finnischen EU-Kommissar in seinem kostbaren Sauna-Frieden ja nicht groß scheren.
Schließlich handelt es sich (bei der Sauna) um einen Ort, an dem sich leicht Vertrauen einstellt und an dem sich die nackte Wahrheit einfacher sagen lässt -
- einfacher als wo? Zum Beispiel außerhalb der Sauna, auf griechischen Straßen und Plätzen, dort, wo das Volk protestiert, kämpft, hungert, friert und mit der nackten Wahrheit täglich konfrontiert ist?
Die Masken fallen, und der Austausch von Floskeln weicht einer konkreten Suche nach Lösungen.
Muss wohl so sein: Die einen gehen für so etwas in die Sauna, die anderen auf die Straße.

Donnerstag, 23. Februar 2012

Geld oder Rumba



Dies ist keine Krise,
dies nennt sich Kapitalismus!
Barcelona, 8. Februar 2012

Demokratie, rettungslos verloren


"Griechenland muss wählen zwischen Geld und Demokratie."
(Überschrift eines Leitartikels in der belgischen Zeitung Knack)

Klingt brutal hart.

Es geht noch brutaler, noch härter:
Müssen die Griechen wirklich wählen zwischen Geld und Demokratie?

Nein: Sie dürfen noch nicht mal wählen.

Die schwedische Zeitung Dagens Nyheter macht sich Gedanken über die Notwendigkeit von Rettungsmaßnahmen in der Krise und kommt zu dem Schluss:
"Es bedarf eines Rettungsschirmes für die Demokratie."

Isaac Cordal, 'Follow The Leaders', Brüssel
via unurth

(Pressezitate via open euro blog)

Mittwoch, 22. Februar 2012

Troikokratie


Man kennt das ja mit der Verschieberitis. Hat man einmal etwas verschoben und gemerkt, dass es funktioniert, wird es mit wachsender Begeisterung weiter verschoben und so lange hinausgeschoben, bis alle vergessen haben, was da eigentlich verschoben wurde und dass da etwas verschoben wurde. Weil, man hat ja ohnehin einen Haufen Probleme - warum also sich noch ein läppisches demokratisches Problem aufhalsen, wo man doch eh schon genug am Hals hat:

Es wird wahrscheinlich keine Wahlen im April geben, bedingt durch den "rigiden und strikten" Zeitplan, den die Troika-Forderungen auferlegen, berichtet 'Ethnos daily'. Das heißt, der nichtgewählte griechische Ministerpräsident wird alle Hände voll zu tun haben, ein höchst unpopuläres (Spar)Programm zu implementieren, so dass ihm die Zeit fehlen wird, das Volk zu fragen, was es davon hält.
Es reicht ja auch vollauf, wenn die Troika zufrieden ist mit der selbstgebastelten nichtgewählten Technokraten-Regierung in Athen.
Volk? Welches Volk?

Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?
Bertolt Brecht

Fröhliche Urständ, Kolonialismus!


Uff.

Wenn sogar einer der Hohenpriester neoliberalen Wirtschaftens befindet, Europa sei im Begriff, die Idee von der Demokratie komplett vor die Wand zu fahren, und Schlagzeilen produziert wie diese:
Greece must default if it wants democracy*
- spätestens dann weiß man, dass irgend etwas fürchterlich schief läuft.
When Wolfgang Schäuble proposed that Greece should postpone its elections as a condition for further help, I knew that the game would soon be up. We are at the point where success is no longer compatible with democracy. The German finance minister wants to prevent a "wrong" democratic choice.
"Wir sind an dem Punkt angekommen, wo Erfolg nicht länger mit Demokratie vereinbar ist" - das sagt einer, dem der Erfolg des europäischen Kapitalismus nachweislich am Herzen liegt. Welches Herrschaftsmodell folgt als nächstes, wenn die Demokratie (zunächst in Griechenland, andere Länder werden folgen) erfolgreich ausgehöhlt worden ist? Der FT-Vordenker denkt einen Schritt weiter:
The eurozone wants to impose its choice of government on Greece - the eurozone's first colony.
Der Kolonialismus-Vorwurf trifft ins Schwarze eingedenk des kühnen Vorstoßes der ehemaligen Kolonialmacht Hollands, eine permanente Troika-Überwachungsinstanz in Athen zu etablieren.

Und die deutschen Kolonialherren und -damen?
The German strategy seems to be to make life so unbearable that the Greeks themselves will want to leave the eurozone. Ms Merkel certainly does not want to be caught with a smoking gun in her hand. It is a strategy of assisted suicide, and one that is extremely dangerous and irresponsible.

"Austerity Hell"
(zum Vergrößern auf Link klicken)

(leider Gottes hinter einer kapitalistischen Paywall verbarrikadiert)

Dienstag, 21. Februar 2012

Fetter Dienstag




Fetteste Fahrstuhlmusik aller Zeiten

Montag, 20. Februar 2012

Totentanz


Heute treffen sich in Brüssel mal wieder die Dealer. So darf man die Finanzfuzzis der Eurozone ruhig nennen, denn es ist ja meistens die Rede von einem Deal, wenn zum x-ten Mal darüber gedealt wird, wie sich noch mehr Bankenrettung aus noch mehr Verarmung und Elend leiern lässt.

Beim heutigen Dealer Meeting gaben sich fast alle Beteiligten zwanghaft optimistisch, wie immer, wenn sie lügen wie gedruckt. Kostproben Orwellscher Sprechblasen gibt es hier und hier. Zu den wenigen, die ihren (längst amputierten) Herzen Luft machten und Tacheles redeten, zählte der niederländische Chefdealer Jan Kees de Jager - er gab zum Besten, wie er sich das so vorstellt mit Griechenland und den Griechen. Weil, irgendwie muss man die doch zur Räson bringen! Irgendwer muss das denen doch beibiegen: Nur wer verarmt, ist auch zu retten! Kann doch nicht so schwer zu verstehen sein! Immer diese störrischen Griechen!

Rettung naht. Noch bevor die Gespräche in Brüssel begannen, zog De Jager seinen Plan für den perfekten Deal aus dem Ärmel:
Der niederländische Finanzminister ließ durchblicken, dass er eine "permanente Troika" in Athen wünsche als Gegenleistung für das nächste Finanzpaket ..."I favour permanent Troika presence in Athens, escrow account (Treuhandkonto)"...
(De Jager) appears to be insisting on the European Union, the European Central Bank and the International Monetary Fund having a fixed role within the Greek capital in the years ahead."
Fixed heißt: unveränderlich, permanent heißt: ständig. Also nicht wie bisher so alle drei Monate mal Chefvisite von der Troika in Athen mit abschließendem Quartalsreport; nix da, taugt nichts, hat man ja gesehen, den Griechen muss man auf die Finger schauen, bei denen kann man nichts dem Zufall oder den nächsten Wahlen überlassen, denen muss man zeigen, wo der Hammer hängt:
"I am in favour of more control, more supervision..."
- schon klar, Supervision ist gut, Kontrolle ist besser,
"...Money is the thing we can control the Greeks with."
- was sich jeder verarmte Grieche bestimmt gern sagen lässt, weshalb die holländische Finanzmarionette auf die Frage, ob die "permanent troika" dann das Vetorecht über den griechischen Haushalt hätte, (in den Orwellschen Modus zurückfallend) antwortet:
"...of course a country remains to some extent always sovereign..."
In gewissem Ausmaß souverän bleiben, davon träumt wohl jeder Souverän, aber alles kann er nun mal nicht haben, der griechische Souverän, und man will ihm ja auch nicht zu viel zumuten. Zum Beispiel Wahlen im April. Wer braucht schon Wahlen? Überhaupt - was heißt schon April? Nie mehr wählen gehen müssen! Nie mehr, dank der unveränderlichen, ständigen Präsenz der Troika in Griechenland. Wenn das kein Deal ist.

Bildquelle:
Ein lesenswertes Blog mit dem sinnigen Namen

Sonntag, 19. Februar 2012

Unsanft ruhen


"Die Kürzungen werden den größten Niedergang im
öffentlichen Gesundheitswesen verursachen."


Und die Friedhöfe werden Konjunktur bekommen.

Donnerstag, 16. Februar 2012

Ist der Ruf erst ruiniert...


...blamiert man sich ganz ungeniert.

Wie gewinne ich die Herzen und Köpfe der Griechen im Flug? Also, ähm, im deutschen Tiefflug? So, dass kein Grieche mehr auf die absurde, historisch völlig an den Haaren herbeigezogene Idee kommt, öffentlich eine Hakenkreuzflagge zu verbrennen? Und endlich wieder Ruhe herrscht dort unten in der Aegaeis? Ganz einfach: mit ein wenig Diplomatie nach deutscher Hausmacherart.

Der deutsche Finanzminister Schäuble macht es vor:
"...his German counterpart (finance minister) suggested postponing Greek elections and installing a new government without political parties."*
Richtig gelesen: Schäuble, die alte Grinsekatze, möchte die im April anstehenden Wahlen in Griechenland gern verschieben und stattdessen eine neue Regierung ohne politische Parteien installieren (jawollja, installieren!). Und trompetet dies, als deutscher Politiker, völlig komplexfrei in alle Öffentlichkeit: Hiermit geben wir bekannt, dass wir bereit sind, die Demokratie den Interessen der Finanzmärkte zu opfern; weil, diese lästige Demokratie steht unserem sogenannten europäischen Projekt eh nur im Weg, also weg damit. Kann man ja mal einfach so sagen, oder?

Wird in Griechenland bestimmt super ankommen. Wird die Ressentiments gegen deutsche Großmannssucht sicherlich auf einen Schlag zum Verstummen bringen. Wird die Erinnerungen an 1941 ein für allemal auslöschen. 1941? Ging für die Griechen nicht besonders gut aus. Für die Deutschen, ein paar Jahre später, noch viel weniger.
"Als die SS und der Hunger eine Million Bürger umbrachten und die Wehrmacht systematisch das Land zerstörte, die landwirtschaftliche Produktion und das Gold der Banken stahl, retteten die Griechen mit der Schaffung einer Bewegung der nationalen Solidarität das Volk vor dem Hunger und bildeten ein 100.000 Mann starkes Partisanenheer, welches 20 deutsche Divisionen in unserem Land aufhielt."
"Wenn man bedenkt, dass die deutsche Besatzung uns eine Million Tote und die totale Zerstörung unseres Landes kostete, wie ist es dann möglich, dass wir Griechen die Drohungen der Frau Merkel und die Absicht der Deutschen dulden, uns einen neuen Gauleiter aufzuzwingen...diesmal mit Krawatte..."

(In einem offenen Brief vom 14. Februar 2012 bezichtigt Mikis Theodorakis Politiker und Banken der Verschwörung gegen das griechische Volk.)

*Zitat aus der (mir nicht zugänglichen) Financial Times, das heute früh im Internet die Runde macht

Mittwoch, 15. Februar 2012

Happy meal




Poesie am Straßenrand



Es gibt Bilder, vor denen verharre ich minutenlang, und es fängt an in mir zu schaffen und zu denken, ohne dass ich bewusst etwas dazu tue. Vielleicht liegt es daran, dass diese Bilder jenen großflächigen urbanen Reklametafeln ähneln, die allein schon wegen ihres plakativen Formates den Blick anziehen und darauf hängen lassen, um zu entschlüsseln, worum es geht. Wahrscheinlich wäre ich noch länger verharrt, wenn mir das Bild beim Gehen durch die Stadt begegnet wäre und mich die großen weißen Buchstaben auf schwarzem Grund physisch eingefangen und meinen Trott unterbrochen hätten.

Mich wundert, dass ich mich von den Großbuchstaben in keiner Weise angeschrien fühle, wie dies einem in Versalien geschriebenen Text normalerweise nachgesagt wird. Im Gegenteil. Irgendwie lehnen sich diese Buchstaben ganz entspannt gegen die Wand und wecken auf subtile Weise eine entspannte Neugier in mir; ich lese und merke, dass ich beim Lesen ruhig werde, genieße dieses Ruhigwerden, lese langsam Wort für Wort, und während ich noch das Gefühl habe, ein Bild zu betrachten, sickern die Buchstaben in mich hinein und streuen Botschaften aus, die etwas in mir bewegen, ohne dass ich bewusst etwas dazu tue.

Ich glaube, so funktioniert Werbung - wenn sie denn funktioniert. Nur handelt es sich hier um keine Werbung. Im Gegenteil: Der Künstler Robert Montgomery pflegt seine subversiv-lyrischen Textbilder nachts unter den Arm zu klemmen, dann streunt er durch die Stadt auf der Suche nach Werbeflächen und Plakatwänden, klebt seine Werke einfach drüber und nennt das Ganze hijacking. Erwischt wurde er dabei noch nie. Obwohl das, was er macht, als Vandalismus gilt. Als "The artist vandalising advertising with poetry" wird er in einem Interview charakterisiert. Er selbst beschreibt seine Arbeit so:
"Let's say I'm trying to write about what it feels like in the inside to live in Late-Capitalism - what capitalism does to us on the inside"
What capitalism does to us on the inside. Schon wieder so ein Satz, der eine Saite anschlägt, scheinbar endlos nachhallt und andere Sätze nach oben spült wie den von Angela Merkel in grauen Sprachbeton gegossenen Slogan von der "marktkonformen Demokratie", die nur dann funktionieren kann, wenn die Menschen in dieser Demokratie marktkonform denken, fühlen und handeln, sich geschmeidig einpassen in etablierte Verhaltensmuster des Verdrängungswettbewerbes bis hin zu marktkonformem Gebrauch der physischen wie mentalen Ellbogen, sich dem alles beherrschenden Vermarktungsdrang unterwerfen und von routiniertem Verwertungsinteresse durchdrungen sind, so dass sie gar nicht mehr anders können als sich gewohnheitsmäßig wie marktkonforme Platzhirsche aufzuführen und all dies völlig normal zu finden - darunter auch solche Menschen, die von sich behaupten, sie würden all dies bekämpfen.
"Because you had to give names to everything you found, and make logos for bad ideas..."

Dienstag, 14. Februar 2012

Dem Valentin sein Tag


Statt Blumen:



Nein danke.


"No need to fire tear gas at protesters in Athens tonight ...
they are already crying with what is happening to Greece."


Bildquelle: rightnow.io, 12. Februar 2012
(Dank an R@iner)

Montag, 13. Februar 2012

Wenn Körper sprechen



Der Typ links ist derjenige, der seinen hungernden Landsleuten gebetsmühlenhaft predigt, sie müssten den Gürtel enger, noch enger und dann nochmals enger schnallen, und dem übrigens gestern abend um ein Haar seine schwartendicke Diätfibel um die Ohren geflogen wäre.

Die Lady rechts mit der ungesund verspannten Kieferpartie verkörpert die fleischgewordene Drohgebärde des IMF, augenscheinlich bereit, den widerspenstigen Griechen erneut einen Schwinger in die ausgezehrten Weichteile zu versetzen, mit geballter Energie aus geballten Fäusten.

Derweil sich im Hintergrund einer ins Fäustchen lacht.


PS:
Bei zerohedge läuft gerade ein messerscharfer (nicht jugendfreier) Caption contest ab.

Scharfschützen in Athen


Was machen eigentlich die Kommunisten? Die im griechischen Parlament? Man hört und sieht nichts von ihnen, jedenfalls nicht in der Presse, die zwar episch breit über die Austerity-Debatte samt anschließender Abstimmung am gestrigen Abend in Athen berichtet, jedoch die Partei mit dem bösen K im Namen peinlich zu ignorieren bemüht ist.

Stolperte ich nicht querfeldein durchs Internet, wäre mir doch glatt entgangen, dass nicht nur außerhalb des Parlamentes - in und um Syntagma Square - Wurfgeschosse aller Art durch die Luft geflogen sind. Nein, auch innerhalb des Parlamentes wurde mit symbolträchtigen Gegenständen geschmissen:

"A deputy from the Communist Party, Giorgos Mavrikos, threw his copy of the austerity bill at Evangelos Venizelos, the finance minister, during the debate on Sunday."
via The Greek Crisis
Leider ist nicht überliefert, wo das Wurfgeschoss (rechts oben im Bild) gelandet ist; ich fürchte fast, es hat sein menschliches Ziel verfehlt, was ich zutiefst bedauere.

Aber dieser Mavrikos - wow, Supertyp. Hut ab.

Sonntag, 12. Februar 2012

Klassenlose Gesellschaft


"Marx's argument amounts to this: any project to deliver a classless society, with wealth distributed according to need, must be based on the most advanced technologies and organisational forms created by capitalism itself. It can't be based on schemes originating in the heads of philantropic bosses or philosophers. And you can't return to the past."
- Accelerationism
(aus: Paul Mason, Why it's kicking off everywhere)
via Edges
Blödsinn.

"Problem solved!
Collaboration with no ego."

Freitag, 10. Februar 2012

Abwarten statt nachdenken


Man staunt.

Am heutigen Freitag, also einen Tag vor den europaweiten Protesten gegen ACTA, macht die deutsche Regierung einen Rückzieher. Na ja, was heißt Rückzieher, sagen wir es mal so: Es wird "signalisiert", dass es möglicherweise sinnvoll sein könnte, über die endgültige Unterzeichnung des Abkommens noch einmal nachzudenken. Na ja, was heißt noch einmal? Sagen wir es mal so: Es scheint sich auf europäischer Ebene die Angewohnheit durchgesetzt zu haben, mal eben schnell zu unterzeichnen und danach erst mit dem Nachdenken anzufangen.

Anders ist kaum zu erklären, dass dem rumänischen Premierminister* Emil Boc neulich entrutschte, "er sei in keiner Weise informiert gewesen über die Umstände, unter denen Rumänien das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) akzeptiert habe", weshalb er jetzt über die anstehende endgültige Unterzeichnung - na? - noch einmal nachdenken wolle. Selbiges - nämlich das Nachdenkenwollen nach bereits erfolgter Zustimmung zu ACTA - haben auch Bocs osteuropäische Amtskollegen in Polen, Bulgarien, Slowenien und der Tschechischen Republik - na? - richtig: signalisiert. Nachdem es in all diesen Ländern auf der Straße gekracht hat vor Anti-ACTA-Protesten.

Nachdenken ist ja auch anstrengend, Unterzeichnen dagegen bequem - ohne zu wissen, was man da eigentlich unterzeichnet. Wenn es für die Qualifikation zum Premierminister langt, alles zu unterzeichnen, was einem unter die Nase gelegt wird, ohne es zu lesen oder gar zu verstehen, bewerbe ich mich hiermit schon mal. Hey, den Job mache ich im Schlafanzug, sogar für die Hälfte des Ministergehaltes! Easy! Denn anscheinend bestand für die Regierungschefs das einzige Kriterium fürs Unterzeichnen von ACTA lediglich darin, dass andere Regierungschefs das Teil ebenfalls unterzeichnet hatten - zur Entscheidungsfindung reicht das offenbar völlig aus.

So halten es jetzt auch die Deutschen. Irgendwie kommt es der Justizministerin inzwischen nicht mehr opportun vor, ACTA einfach durchzuwinken, jetzt, wo die Kollegen im Osten mit dem Nachdenken angefangen haben. Was nicht bedeutet, dass die Deutschen ihrerseits endlich mit dem Nachdenken anfangen. Neiiin! Denn wie geht Nachdenken auf Deutsch nochmal? Richtig: Abwarten.
Also erst mal abwarten und schauen, was die anderen (das EU-Parlament) so machen, und dann sich dranhängen. Mit anderen Worten: die Verantwortung fürs eigene Handeln an die EU abschieben. Rückgrat und eigenen Kopf einstweilen bitte an der Garderobe abgeben. Braucht eh keiner. Wozu auch. Na ja, höchstens zum Staunen.


* Richtig muss es heißen: Der ehemalige Premierminster Emil Boc - er ist nämlich am 6. Februar von seinem Amt zurückgetreten, als Reaktion auf Massenproteste in Bukarest gegen die vom IMF auferlegten Sparzwänge (Durchschnittsmonatseinkommen in Rumänien unter 350 Euro).

Neues aus Entenhausen



Wann ist ein Boot voll?

Wenn keine Gummiente mehr draufpasst.

Was passiert, wenn noch mehr Gummienten auf das Boot wollen?

Dann wird das Boot zu voll.

Was passiert, wenn das Boot zu voll wird?

Dann geht das Boot unter.

Oder es macht platsch, und ein paar Gummienten gehen von Bord und fallen ins Wasser der Aegaeis.


Update:

Im Laufe nur einen Tages sind inzwischen sechs griechische Minister von Bord gegangen. War da kein Platz mehr auf dem Boot? Hatten sie das Gummienten-Dasein satt? Oder einfach keine Lust auf Absaufen? Keep Talking Greece: "... the political leaders' approval of the new austerity package and the new loan agreement triggered the resignation of six ministers." Spricht für Gummienten-Verdrossenheit.

Dienstag, 7. Februar 2012

Moderne Eiszeiten


Vielleicht ist es ja einfach nur dieser endlose Winter.

Mit seiner spezifisch deutschen Kälte.
"Merkel demands action..."

"German Chancellor Angela Merkel told Greece Monday to make up its mind fast on accepting the painful terms for a new EU/IMF bailout..."

"Speaking in Paris, Merkel expressed the exasperation spreading among euro zone leaders at seemingly endlless arguing in Athens that has yet to produce a definitive acceptance of the austerity..."

"Merkel made clear that her patience was wearing thin on a deal..."

"In a fresh sign of mistrust, the German leader said...'We want Greece stay in the euro," - but! - 'I want to make clear once again that here can be no deal if the troika proposals are not implemented...they are on the table...something needs to happen quickly...'"
Griechenland soll jetzt bitte gefälligst spuren (Merkel: "Die Zeit drängt!") und noch dieses Jahr 15.000 staatliche Jobs streichen (cut) sowie bis 2015 weitere 150.000 Menschen auf die Straße setzen (cut), und das, wo die gesamte griechische Bevölkerung aus kaum mehr als 10 Millionen Menschen besteht. Egal, Greece is to cut..., wie es auf Troika-Sprech immer heißt, und also to be cut sind die Mindestlöhne und die Renten und, wenn das so weiter geht, vermutlich auch die Hälse jener Politiker, die sich Merkels rhetorischer Kaltfront beugen.


Aber was ist schon ein Frösteln im Vergleich zum Frieren. Erbärmliches, bitterkaltes Frieren an Herz und Hirn beim Lesen propagandistischer Zeilen vom 05. Februar, dass nämlich Angela Merkel "traumhafte Zustimmung im Volk genießt" (Kälteschauder), ja, sie ist "die Königin Europas" (Gänsehaut), denn "die Wähler spüren, dass Angela Merkel eine Position der Stärke mit Fingerspitzengefühl statt Brachialgewalt erworben hat" (akuter Frostbeulenbefall), nur müsse sie halt "in Europa unglaublich aufpassen, denn wenn Berlin Stärke zeigt, sind alte Urteile, die keineswegs nur Vorurteile sind, wieder da" (anhaltender Kälteschock).


Es muss wohl der anhaltende Kälteschock gewesen sein, der wütend protestierende Griechen heute in Athen dazu veranlasst hat, die deutsche Flagge mitsamt einer Hakenkreuzflagge unter lautem "Nazi!"-Sprechchorgesang zu verbrennen.

Der Kälteschock wich einer sich fast taub anfühlenden Gefrierstarre bei der Lektüre eines amerikanischen Blogs, dessen Autor kürzlich in Deutschland weilte, dort die Gelegenheit hatte "to meet with and question senior members of economics establishment within the German government and the broader German intelligentsia" und aus diesen Treffen ziemlich verärgert ("quite chagrined") hervorging, was seiner Zusammenfassung der gewonnenen Eindrücke deutlich anzumerken ist, wofür er sich vorab entschuldigt ("my apologies if the below evidences some degree of frustration"), um dann das vorzutragen, "what appears to be the pretty universally held German policy position":
"Yes, yes, we studied Brüning and the deflation of the early 1930s that you say really brought about the National Socialism that nearly destroyed us and resulted in global horror, but we nevertheless attribute the trouble to the Weimar inflation.

Don't blame us for being incredibly productive and economically abstemious, we can't help it if we make the best cars and everyone wants to buy them. And it is not our fault that the countries of the periphery are unproductive anachronisms that make nothing anyone wants to buy at the prices they want to sell their goods for.

There will be no exiting of any country from the Euro System. The System was only designed as part of a continuum leading to the full unification of greater Germ-...uh...Europe.

But we are not yet in a position to support transfer of national authorities, we Germans are not prepared to surrender national sovereignty (but we really think that the suggestion for installing an Oberführer to supervise Greece was a nifty idea and aren't sure why it got people so upset).

Finally, we believe in the written word - in law and in treaty. We can make more promises to each other and - unlike the last two times - we can this time honor them. Why do you doubt that?"
Eine Art German common sense, der, so der Autor, den Grundstein lege für das lauthals geführte deutsche Plädoyer für 'expansiven Sparzwang' ("expansionary austerity") ohne Rücksicht auf Verluste, Flächenarmut und Massenobdachlosigkeit.

Abgerundet wurde der unerfreuliche Zustand chronischer Unterkühlung dann durch die neueste Schlagzeile aus der griechischen Zeitung Kathimerini:
"Funds found to help Greece's homeless"
(Ein Fonds wurde gegründet, um Griechenlands Obdachlosen zu helfen)

"Greece is to spend 800.000 euros on housing and feeding homeless people amid concern about the growing number of people living on the streets of Athens and Thessaloniki in wet and cold conditions."
Kommentar von zerohedge:
"Forget farce. Forget tragicomedy. Frankly, we are out of words to describe what is happening in Greece, Europe, and, actually - the world.

Actually, we are still out of words."
Mir geht es ebenso: Ich bin sprachlos. Mir fehlen die Worte ob der alles gefrierenden, schneidenden Kälte der Ereignisse und der Schlagzeilen. Vielleicht leben wir bereits in einer neuen Eiszeit, wissen es nur noch nicht. Vielleicht kommt aber auch bald der Frühling. Weil, mir geht da so ein heiteres Frühlingslied durch den kaltgefrorenen Kopf:


Occupy Leib und Leben


Lethal medicine: "Greece testing ground for EU austerity hell"


Von einer "tödlichen Medizin" spricht der griechische Verfassungsrechtler George Katroungalos und meint damit die "schmerzhaften Einschnitte", die den griechischen Menschen abverlangt werden. Besonders jenen, deren Lebensverhältnisse ohnehin bereits halbtot gespart worden sind, drohe seit gestern eine "gesteigerte Dosis der tödlichen Medizin in Gestalt drakonischer Kürzungen, die die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft treffen werden".
"Das griechische Volk hat die Schnauze gestrichen voll, wir sind nicht länger bereit, unser Leben kontinuierlich zu opfern ohne einen Funken Hoffnung."
Was passiert, wenn die Griechen die Schnauze voll haben von den kontinuierlich verabreichten, schleichend tödlichen Infusionen? Wenn es dem nationalen Gesundheitssystem und damit Leib und Leben an den Kragen geht? Sie hängen sich vom tödlichen Tropf ab, schreiten zur Selbsthilfe und nehmen die medizinische Versorgung in die eigenen Hände:
Health workers (d.h. das gesamte medizinische Personal) in Kilkis, Greece, have occupied their local hospital and have issued a statement saying it is now fully under workers control.
The workers have responded to the regime's acceleration of fascism by occupying this public general hospital and outing it under direct and complete control by the workers. All decisions will be made by a 'workers general assembly'.
Bis auf weiteres wird von den Krankenhaus-Besetzern ein medizinischer Notdienst für die Bevölkerung garantiert, bis die noch offenen Löhne und Gehälter ausbezahlt sind. Alle organisatorischen Belange werden von den Besetzern in der General Assembly diskutiert, die ab dem 13. Februar täglich stattfinden wird.

In einer Pressemitteilung (via Occupied London) stellen die Besetzer klar, dass es ihnen um weit mehr geht als um eine angemessene Bezahlung, denn "die Probleme (des nationalen Gesundheitssystems) sind ein Produkt der gegen die Interessen der Bevölkerung gerichteten Regierungspolitik und des dreisten globalen Neoliberalismus". Besonders beeindruckend sind Statements wie diese:
For this reason, we place our special interests inside a general framework of political and economic demands that are posed by a huge portion of the Greek people that today is under the most brutal capitalist attack; demands that order to be fruitful must be promoted until they end in cooperation with the middle and lower classes of our society.

The only way to achieve this is to question, in action, not only its political legitimacy, but also the legality of the arbitrary authoritarian and anti-popular power and hierarchy which is moving towards totalitarianism with accelerating pace.

The workers at the General Hospital of Klikis answer to this totalitarianism with democracy. We occupy the public hospital and put it under direct and absolute control. The hospital of Kilkis will henceforth be self-governed and the only legitimate means of administrative decision making will be the General Assembly of its workers.

We ask for the solidarity of the people and workers from all fields, the collaboration of all workers' unions and progressive organizations, as well as the support from any media organization that chooses to tell the truth. We are determined to continue until the traitors that sell out our country and our people leave. It's either them or us!

We call
a) Our fellow citizens to show solidarity to our effort,
b) Every unfairly treated citizen of our country in contestation and opposition, with actions, against his/her's oppressors,
c) Our fellow workers from other hospitals to make similar decisions,
d) The employees in other fields of the public and private sector and the participants in labour and progressive organizations to act likewise, in order to help our mobilization take the form of a universal labour and popular resistance and uprising, until our final victory against the economic and political elite that today oppresses our country and the whole world.
Meine volle Bewunderung, Respekt und Solidarität für die kämpferischen Griechen! Go, Greeks, go!

Sonntag, 5. Februar 2012

Protest, eiskalt serviert


Mit minus sieben Grad war es gestern in Frankfurt bereits klirrend kalt, aber es geht noch kälter, zum Beispiel in Stockholm, Schweden: Dort herrschten am Samstag minus 20 Grad; Temperaturen, die über tausend Stockholmer nicht davon abhielten, für ihr Recht auf Meinungsfreiheit auf die bitterkalte Straße zu gehen, um der von langer Hand und hinter verschlossenen Türen geplanten Internetzensur-Gesetzgebung ACTA den Kampf anzusagen.


In ganz Schweden waren es über 10.000 Menschen, die der Kälte und dem Zensurvorhaben trotzten.
"It takes hard work, it takes tons of activism, but we know exactly what to do and how to do it, and most importantly: we know that we can win.

As the rally concluded, everybody was determined to win this fight, having heard the clear message that it takes work but is perfectly doable."
Rick Falvinge von der schwedischen Piratenpartei
Worte, die zuversichtlich stimmen für den kommenden Samstag, den 11. Februar:

"Just look at this map. I've never seen anything like it in terms of people all across Europe demanding their freedom of speech and being angry against backroom corporativist deals that steals their most basic civil liberties."
In Polen, wo die europäischen Proteste ihren Anfang nahmen, rudert Premierminister Tusk bereits beflissen zurück:
"Following the growing protests about ACTA in Europe, as well as signs of US meddling, Poland's prime minister is making it clear that Poland will not ratify ACTA for the time being, leading to speculation that the EU may not actually join ACTA."
- und wer sich fragt, wieso Tusk dem ACTA-Abkommen im Vorfeld zugestimmt hat, ihm nun jedoch plötzlich ablehnend gegenübersteht, dem liefert der wendige Pole eine windige Antwort:
"I share the opinions of those who from the beginning said that consultations were not complete", Tusk said, according to a report in Wirtualna Polska. The 54-year-old prime minister added that a Polish rejection of ACTA is now on the table, and admitted that he had previously approached the agreement from a "20th century" perspective, due to his age."
Aha. Im hohen Alter von 54 Jahren, so Tusk, sei er halt irgendwie in der Denkart des 20. Jahrhunderts hängengeblieben, habe den Schuss vor den Bug der Meinungsfreiheit nicht gehört und darum - frühvergreisungsbedingt - dem in politischen Hinterzimmern ausgemauschelten Zensur-Coup zugestimmt.

Und dabei völlig übersehen, dass man zum kritischen Denken und zum Protest - auch auf offener, bitterkalter Straße - niemals zu alt ist.
Hey, Tusk, alter Schwede!


Samstag, 4. Februar 2012

Abgefrühstückt


Was gibt es Nahrhafteres, als an einem Samstagmorgen ohne Frühstück in ein Blog namens "Samstagsfrühstück"* zu stolpern?

Das reichhaltige Frühstücksbuffet bietet - neben geschreddertem Getreide ("cereal") - einen deftigen Comic zum Thema Internetzensur. Vielleicht ein bisschen sehr deftig, aber das macht ja nichts, erscheint sogar angemessen: Schließlich gibt sich die Gegenseite längst keine Mühe mehr, besonders subtil rüberzukommen. Mahlzeit.


*Bitte auf Link klicken zur vollständigen Ansicht des Comic

Mittwoch, 1. Februar 2012

Nebenan


Nebenan

Georg Kreisler

Sicherlich haben Sie schon von den alten Tanten gehört
und ihrem Tangokonzert mitten in der Nacht.
Sicherlich glauben Sie, ich hab mir das damals halt so irgendwie
ausgedacht.
Und mich nur lustig gemacht mitten in der Nacht.
Aber eins steht fest: Die alten Tanten, die tanzen noch immer.
Und nur wir Blöden,
wir sitzen und reden
von Revolution
oder Evolution.
Der Stuss des Gedrängels
um Marx und Engels
wird jeden Tag schlimmer.
Und jeder weiß,
vor lauter Fleiß
gehn wir im Kreis.

Nebenan, man muss nur wissen, wie man hinkommt,
nebenan, in einer obdachlosen Zeit,
nebenan, wo man zu Gott nicht auf den Knien kommt,
gibt's nicht nur Regeln und Raison,
Organisation,
funktionelle Ämter und Gewissenhaftigkeit.

Nebenan fließt eine Welt der Kompromisse,
wo keiner kann und keiner muss und keiner mag.
Nebenan, in einer flüchtigen Kulisse,
spielt sich das Leben langsam ein,
wie bei Papageien,
nur, dass man ein Mensch ist, aber das den ganzen Tag.

Man setzt kein Beispiel,
denn jeder Leistungsdruck wär lächerlich und banal,
man spielt ein Freispiel
und bleibt sich nah,
und durch die unbegrenzten Flüge
wächst das Bedürfnis nach Gefüge.
Es fehlt nur eines: das alles erklärende letzte ja.
Das ist nicht da.
Es gibt kein ja,
und da's kein ja gibt, gibt's kein nein,
auch kein vielleicht und kein mag sein.
Es gibt nur ein nebenan.

Das Nebenan ist allumfassend.
Nebenan ist gleich ums Eck und dann gradaus.
Nebenan, das Wort ist sicherlich nicht passend.
Doch Wörter lässt man ohnehin zuhaus.
Wozu denn Wörter,
wenn Hypothesen und Hoffnung verlässlicher sind,
sie machen härter
und klagen an.
Man kann am Wörterbuch erblinden
statt zu vergessen und zu finden.
Damit wär alles gesagt, was ich dazu sagen kann.
Wir sehn uns dann
halt irgendwann
am dritten Baum
in meinem Traum
gleich nebenan.

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